Der Foto-Lern-Dialog: spielen – erleben – (sich) ein Bild machen

Das Beobachtungs- und Dokumentationsverfahren, das ich „Foto-Lern-Dialog“ nenne, habe ich bereits erfolgreich in verschiedenen Berliner Kitas vorgestellt und eingeführt.

Die Bezeichnung erinnert an Lerngeschichte, das Lernen steht im Zentrum des Begriffs, ist auch das Wichtigste dabei. Das Lernen ist aber eingebettet in zwei andere Begriffe: „Foto“ und „Dialog“.

Foto

Die beobachtete Situation wird in Foto(s) festgehalten, das hat mehrere Vorteile:

  • Kind und Erzieherin können sich die Situation noch einmal vor Augen rufen, entdecken auf dem Foto noch mehr Einzelheiten, die sonst vielleicht verloren gehen. Das Foto dient als Erinnerungsstütze.
  • Eine Situation muss eine gewisse Zeit lang andauern, damit ein Foto davon gemacht werden kann. So werden Sachen beobachtet, die das Kind wirklich interessieren.

Dialog

im Gegensatz zur Lerngeschichte, soll es hier um einen Dialog, um ein Gespräch zwischen pädagogischer Fachkraft und Kind gehen. Das Beobachten und Dokumentieren, ist keine Beschäftigung, die die pädagogische Fachkraft für sich alleine macht, sondern mit dem Kind zusammen. Dabei stehen Fachkraft und Kind im Dialog: sie sprechen miteinander und über das, was das Kind gespielt hat. Im Dialog begegnen sich beide auf Augenhöhe und lernen voneinander.

Lernen: spielen – erleben – (sich) ein Bild machen

Spiel mit der Erbse

Spiel mit der Erbse

Angeregt durch die Portfolio-Vorlagen von Antje Bostelmann (Das bin ich – geschafft –  gelernt) und die Fotodokumentation von Roswitha Weck, hieß der Beobachtungs- und Dokumentationsbogen bei uns zunächst  „gespielt – geschafft – gelernt“. Es war mir ganz wichtig, dass bei der Benennung des Beobachtungsbogens, dem Schaffen und Lernen ein Spielen vorausgeht, damit deutlich wird, dass das Spielen an erster Stelle steht. Bei der Anwendung des Bogens wurde uns jedoch bewusst, dass es weniger darauf ankommt, dass ein Kind aus der Sichtweise des Erwachsenen tatsächlich etwas „geschafft“ hat. Beim Lernen kommt es viel mehr darauf an, dass ein Kind spielt, sich also längere Zeit mit einem Spiel beschäftigt, dabei etwas erlebt und sich so ein Bild von der Welt macht. Das macht Bildung aus.

Deswegen habe ich die drei Schritte des Lernens  für den Titel des Beobachtungsbogens umbenannt in spielen – erleben – (sich) ein Bild machen.  Lernen heißt sich ein Bild machen. Wenn ich mir in meinem Kopf  ein Bild von der Welt gemacht habe, etwas abgespeichert habe, dann habe ich etwas gelernt. Kinder lernen dadurch, dass sie spielen, dass sie mit allen Sinne etwas erleben, um sich dann ein Bild davon zu machen. Wir unterstützen sie dabei, indem wir sie dabei beobachten, ein Bild bzw. Foto von ihnen machen und mit ihnen darüber sprechen, damit das Erlebte auch sprachlich gestützt gespeichert und erinnert werden kann. Das Spielen kommt in den verschiedensten Alltagssituationen vor. So kann ein Kind beim Mittagessen mit den Erbsen auf dem Teller spielen, vielleicht versuchen, sie aufzuspießen, vielleicht ein Muster daraus legen oder sie vom Tellerrand herunter kullern  lassen. Als Erwachsene erkenne ich nicht sofort, was ein Kind dabei tatsächlich „schafft“. Das ist auch nicht das Entscheidende. Ich kann aber beobachten, was das Kind erlebt und es dabei sprachlich begleiten, damit das Erlebnis zu Bildung wird.

 

DBeobachten und Dokumentieren-Foto-Lern-Dialogas Beobachtungs- und Dokumentationsverfahren Foto-Lern-Dialog ist wie ein Kreislauf aufgebaut: Spielen, Beobachten, Fördern und Dokumentieren folgen immer wieder aufeinander, wechseln einander ab. Es ist keine einmalige Abfolge, deren Resultat man dann abheften und abhaken kann, sondern ein ewiger Kreislauf, bei dem das Kind immer im Mittelpunkt steht und immer dabei ist.

Wir wollen kein Beobachtungsverfahren, das lange dauert und das vielleicht aus Zeitmangel gar nicht bis zu Ende, bis zur gezielten Förderung gelangt, sondern ein Beobachtungsverfahren, das vom ersten Moment an eine Förderung für das Kind bedeutet.

Der Foto-Lern-Dialog fördert das mündliche Gespräch zwischen Kind und Erwachsenem. Die schriftliche Dokumentation darüber wird in einer wertschätzenden Sprache verfasst, die für das Kind  (sprach)bildend und für die Erwachsenen aussagekräftig ist, damit alle an der Betreuung, Erziehung und Bildung des Kindes beteiligten Personen sich zum Wohle des Kindes verständigen können.

Unsere Erfahrungen mit dem Foto-Lern-Dialog

  • Kinder sind stolz auf das,  was sie erlebt haben. Sie freuen sich über die Be(ob)achtung.
  • Eltern nehmen Alltags- und Spielsituationen der Kinder wahr.
  • Alle Beteiligten erkennen Bildungspotential im Alltag und Spiel.
  • Es macht allen Beteiligten Spaß.

Gesina Volkmann, Oktober 2015